AGGREGAT
3.9.2023 - 17:00 — Winterthur - Alter Stadthaussaal — musica aperta
— Alvin Lucier (1931-2021): Step, Slide and Sustain  for horn, cello and piano (2014)
— Hanna Hartmann (1961): METUSALEM  für Horn solo und Tonband (2021)
— Alfred Knüsel (1941): Aspekte der Orientierung  für Violoncello solo (2010)
— Alvin Lucier (1931-2021): Nothing is Real  for piano and amplified teapot (2021)
— Oliver Weber (1974): Inschrift II für Horn, Violoncello und Keyboard, Uraufführung
Als das Trio Retro Disco vor 10 Jahren zum ersten Mal eine Konzertreise in die USA unternahm, befand sich zufälligerweise der Elektronik-Pionier Alvin Lucier im Publikum und bot an, ein neues Stück für die drei MusikerInnen zu komponieren, wobei er den Wunsch äusserte, komplett auf Elektronik verzichten zu wollen und sich ausschliesslich auf drei ganz einfache musikalische Mittel zu beschränken: «Step» im Sinne von «Tonschritt», «Slide» als Bewegung zwischen zwei Tonschritten und «Sustain» als ausgehaltener Ton – ähnlich den drei klassischen Aggregatszuständen fest, flüssig und gasförmig. Entstanden ist ein äusserst ruhiges Stück, das sich ganz dem akustischen Phänomen der Schwebung widmet, also der Überlagerung von Schallwellen, die ein hörbares Pulsieren verursachen.
Auch in der Uraufführung von Oliver Weber finden sich einzelne Elemente, Atome und Moleküle, die sich zu Aggregaten zusammenfügen und ihre Zustandsformen ständig wechseln. In der Mitte des Konzertprogramms stehen wie ein Wegweiser die «Aspekte der Orientierung», die Alfred Knüsel für Moritz Müllenbach geschrieben hat, der äusserst flexibel auf verschiedene Stimmungen des Cellos reagieren muss, und darum herum gruppiert sind zwei ruhige Solo-Stücke von Hanna Hartmann und Alvin Lucier zu hören: einerseits «METUSALEM» für Horn solo, das in grauen, übereinander geschichteten Kohlestrichen wie in einem physikalischen Erstarrungszustand notiert ist und andererseits der moderne Klassiker «Nothing is Real», in dem Alvin Lucier den Beatles-Song «Strawberry Fields Forever» in einer Teekanne sublimiert, also bildlich gesprochen den festen Aggregatszustand direkt in einen gasförmigen übergehen lässt.
Moritz Müllenbach, Violoncello
Samuel Stoll, Horn
Simone Keller, Klavier/Keyboard
Leandro Gianini, Elektronik